„Uns geht es einfach zu gut!“ – Wirklich?

06.10.2019 / 41

Vor kurzem durfte ich wieder einmal einer lebhaft geführten Diskussion beiwohnen, bei welcher die zentrale Frage behandelt wurde, warum immer weniger Gläubige den Gottesdienst besuchen und warum unsere Kirchen dadurch immer leerer werden? Neben den bekannten Argumenten wie Zölibat und dessen Aufhebung bis hin zur Zulassung von Frauen für Weiheämter wurde auch jene Ansicht geäußert, nach welcher der Grund für die eben angesprochene Misere in dem Umstand zu finden sei, dass es den Menschen vor allem bei uns hier in Deutschland einfach zu gut ginge. Wer materiell bestens abgesichert ist, brauche eben auch keinen Herrgott mehr.
Diese Meinung stieß bei den übrigen Diskussionsteilnehmern nach einigem hin und her mehrheitlich auf breite Zustimmung. Und in der Tat klingt sie ja auch auf den ersten Blick durchwegs plausibel und nachvollziehbar. Bestärkend wirkt in diesem Zusammenhang dann auch noch jenes Argument, dass die Menschen zu früheren Zeiten, in welchen noch kein so ausgeprägter Wohlstand geherrscht habe, doch viel mehr die Gotteshäuser aufgesucht hätten. Hier darf jedoch gleich einmal angemerkt werden, dass die Gründe für den Besuch der Heiligen Messe früher häufig nicht primär in einer tiefen Gottesbeziehung lagen, sondern eher im gesellschaftlichen Druck seitens der sozialen Umwelt zu finden sind. Aber natürlich wird es auch damals wie auch übrigens heute ganz viele Menschen geben, welche gerade in Notzeiten um göttlichen Beistand bitten und dies ist ja auch mehr wie legitim und zulässig. Nach einer der wohl zentralsten Aussage unseres christlichen Glaubens betreffend, handelt es sich ja bei Gott um einen liebenden und damit auch helfenden Vater. Trotzdem möchte ich das anfangs zitierte Argument, welches den einzigen Grund für eine schwindende Gottesbeziehung in materiellem Wohlstand begründet sieht, durchaus kritisch bewerten. In diesem Zusammenhang sei doch zunächst die Frage erlaubt, ob es den Menschen in unserer Zeit wirklich ganzheitlich besser geht? Meiner Auffassung nach gehört zu einem guten Wohlbefinden vor allem auch der Zustand der Zufriedenheit und des inneren Gleichgewichts. Und dies ist doch wohl bei vielen unserer Zeitgenossen eher nicht der Fall. Wie viele Menschen gerade in unserem Land vermitteln durch ihre Lebensweise den Eindruck von ständiger Hektik und Getriebenheit? Und dann kann doch wohl nicht von einem ganzheitlichen Wohlbefinden gesprochen werden. Hier müsse man dann im Umkehrschluss wohl eher davon ausgehen, dass diese Menschen sprichwörtlich und gefühlt wohl gar keine Zeit für Gott zu haben scheinen. Könnte der permanente Zeitdruck, welchem wir uns ja meistens selbst aussetzen, der wahre Grund dafür sein, dass die liturgischen Angebote immer weniger wahrgenommen werden? Ein Mensch, welcher wirklich mit sich im Reinen ist und welchem es demnach im eigentlichen Verständnis gut geht, müsste doch gerade sehr verstärkt darauf achten, dass er sich immer wieder auch die nötigen Ruhepausen in körperlicher, aber auch vor allem geistiger Hinsicht zukommen lässt. Und wo findet man diese Erholung wohl besser als in der direkten Hinwendung zu Gott in den unterschiedlichsten Formen, welche unser Glaube bietet? Somit komme ich zu folgenden Schluss: Wenn es allen wirklich im wahren Sinne gut geht, dann wären unsere Kirchen auch…gut gefüllt.

Pfarradministrator Bernd Udo Rochna