14.10.2018 / 42
Jetzt stellen Sie sich doch einmal folgende Situation vor: Ein Wartezimmer in einer Arztpraxis. Eine Räumlichkeit wie wir sie sicherlich alle schon einmal aufgesucht haben. Zwei Personen befinden sich darin und es entsteht der hier beschriebene Dialog: „Guten Tag. Wie geht es Ihnen denn so?“ „ Hervorragend! Könnte gar nicht besser gehen und vor allem gesundheitlich bin ich in bester Form. Und bei Ihnen?“ „Alles wunderbar! Kerngesund bis in die letzte Körperzelle! Aber schauen Sie mal da zur Tür. Wer kommt denn da rein. Der sieht aber gar nicht gut aus. Der wird doch nicht etwa krank sein? Dann soll er lieber schnell wieder gehen. Den können wir hier nicht brauchen.“ „Genau. Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Ein Kranker in einer Arztpraxis. Das geht ja gar nicht? Was bildet der sich eigentlich ein?“ Eine sehr groteske und äußerst unglaubwürdige Unterhaltung, werden Sie jetzt zu Recht denken. Kehrt sie doch mehr oder weniger die reellen Umstände in ihr Gegenteil um. Denn normalerweise suchen ja gerade kranke Menschen den Arzt auf und nicht die Gesunden. Und diese würden sich somit auch nicht beschweren, wenn eine sichtbar erkrankte Person ein Wartezimmer betritt. Aber verhält es sich denn nicht gerade bei uns in den Pfarrgemeinden oft ganz ähnlich?
Jesus sagt an mehreren Stellen im Evangelium, dass die Kranken den Arzt benötigen und nicht die Gesunden. Im übertragenen Sinne sind damit die Sünder gemeint, welche einer Erlösung durch ihn in ganz besonderer Weise bedürftig sind. So die Botschaft Jesu. Und wie verhalten wir uns häufig? Ist es nicht so, dass wir Menschen, welche nicht dem klassischen, kirchennahen Milieu entstammen, eher sehr skeptisch oder gar misstrauisch begegnen? Da betritt beispielsweise ein Obdachloser während einer Heiligen Messfeier die Kirche und möchte am Gottesdienst teilnehmen. Wenn man die nun folgenden Blicke genau beobachtet, dann spiegeln diese leider häufig Missachtung und Ablehnung wieder und man kann in dem einen oder anderen Gesicht förmlich Gedanken ablesen wie „Was will jetzt der da?“ oder „Merkt der nicht, dass er stört?“ Ähnlich wie in der eingangs beschriebenen Szene von der fiktiven Arztpraxis. Menschen, welchen es nicht gut geht und gerade deshalb die Nähe zu Gott suchen, lösen bei uns immer wieder ein Gefühl des Unbehagens aus, weil sie uns meist aus unserem gewohnten und so schön eingerichtetem Umfeld herausholen und uns mit einer anderen Art von Wirklichkeit konfrontieren. Deshalb sollten wir eben nicht wegsehen oder gar abweisend reagieren, sondern den Betroffenen stets das Gefühl vermitteln, dass sie willkommen sind und mit ihren Sorgen und Nöten ernst genommen werden. Denn hier trifft wohl in ganz entscheidendem Maße eine der wichtigsten Botschaften Jesu an uns zu: Was ihr den Geringsten meiner Brüder getan habt, dass habt ihr mir getan!“ Und eins wissen wir nie: Bei welcher Türe im Wartezimmer wir das nächste Mal hereinkommen werden…
Kaplan Bernd Udo Rochna