08.09.2019 / 37
Das Verschwinden der Mittelschicht – auch innerhalb der Kirche?
Immer wieder können wir es den Medien entnehmen, dass gerade hier bei uns in Deutschland aber auch in anderen westlichen Industrienationen allmählich die sog. „Mittelschicht“ langsam aber sicher zu verschwinden drohe. Solchen Aussagen nach gibt es demnach bald keine gesellschaftliche Schicht mehr, welche über ein mittleres Einkommen verfüge und welche über Jahrzehntelang diese und andere, überwiegend westlich geprägte Gesellschaften zentral geprägt haben. In diesem Zusammenhang wird auch immer wieder betont, wie deutlich die Schere zwischen Arm und Reich auseinanderginge. Und gewisse Anzeichen dafür sind zweifelsohne auch bei uns ganz deutlich zu beobachten. In vielen Städten wird beispielsweise bereits über eine zulässige Höchstgrenze für Wohnungsmieten nachgedacht, um den immer höher steigenden Mietkosten entgegenwirken zu können. Man hört häufig von Familien mit Kindern, welche keinen bezahlbaren Wohnraum mehr finden, obwohl oft hier beide Elternteile einer erwerbstätigen Arbeit nachgehen. Gleichzeitig nimmt aber auch jener Personenkreis zu, welcher über sehr hohe Einkommen verfügt. Dass derartige Entwicklungen eine Gesellschaft wirklich auseinanderbrechen lassen können, wird niemand ernsthaft in Frage stellen, da doch vor allem der soziale Friede und die soziale Gerechtigkeit diesbezüglich als starke und beständige „Bindemittel“ wirken können. Ohne diese gesellschaftlichen Zustände des Gleichgewichts werden sich die extremen Positionen eher feindselig und abweisend gegenüberstehen, als sich gegenseitig solidarisch und verständig zu zeigen. In Folge dessen sind dann meist Sätze zu hören wie „Das sind die Anderen, zu denen wir nicht gehören…“ oder auch drastischer „Schuld sind die…, dass es uns so schlecht geht…“. Mich persönlich ängstigt zudem, dass nach meinem persönlichen Empfinden in der Kirche zur Zeit ähnliche Prozesse zu beobachten sind. Auch hier scheint die „Mittelschicht“ langsam aber sicher zu verschwinden. In diesem Zusammenhang bedeutet dies, dass immer mehr Gläubige sich eher extremen Positionen in Bezug auf Fragen des persönlichen Glaubens anschließen, anstatt sich als eine Gesamtkirche zu verstehen. Diese unterschiedlichen „Parteien“ zeichnen sich dann meist auch dadurch aus, dass sie den eigenen Weg als den einzig Gültigen und Seligmachenden erachten und andere Haltungen kategorisch ablehnen und leider diesen auch oft jegliche Existenzberechtigung absprechen. Dies führt dann ebenfalls dazu, dass auch die Kirche sich immer mehr auseinanderentwickelt und so auch von außen nicht mehr als eine zusammengehörende Einheit wahrgenommen wird. Aber gerade ein geschlossenes Auftreten nach außen und damit ein gemeinschaftliches Hineinwirken in unsere soziale Gesellschaft wäre doch gerade in diesen Tagen von so großer Wichtigkeit. Aus diesem Grund versuche ich persönlich stets nach meinem Primizspruch zu verfahren, welcher aus dem neunten Kapitel des Markusevangelium stammt und da lautet: „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“ Damit möchte meiner Interpretation nach Jesus seinen Jüngern bewusst machen, dass es viele verschiedene Möglichkeiten gibt, Gott zu loben und den Glauben zu leben. Diese Vielfalt macht doch unseren christlichen Glauben so lebendig und vielseitig. Und viele verschiedene Wege, welche parallel nebeneinander in die gleiche Richtung führen, bilden eine breite und damit sehr stabile Gesamtstraße, welche von außen auch als eine solche wahrgenommen wird. Wenn es dagegen nur einen einzigen Weg gäbe, würde es doch bald sehr eng werden…
Kaplan Bernd Udo Rochna